Das „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISP) wurde nach Angaben der Wiener Wochenzeitschrift „Profil“ im November 2016 gegründet; selbst (u.a. auf seiner Homepage) behauptet es freilich, erst 2017 das Licht der Welt erblickt zu haben. Unstrittig ist freilich, dass es in der Kanzlei des Wiener Rechtsanwalts Markus Tschank untergebracht war und ist. Tschank selbst fungiert als Präsident des ISP, dessen einziger weiterer Mitarbeiter der Jurist Alexander Dubowy ist.
Am 11. März 2020 fand in der Kanzlei Tschanks eine Hausdurchsuchung des Bundeskriminalamts statt. Die dortige „Vereinsinfrastruktur“ des ISP erwies sich als sehr karg: „Arbeitsplatz“ Dubowys ist ein kleiner Schreibtisch mit Computer in einer Ecke des Besprechungszimmers. Die Ermittler erkundigten sich bei der anwesenden Sekretärin und einem Rechtsanwaltsanwärter, inwieweit das ISP die Räumlichkeiten der Kanzlei überhaupt in Anspruch nimmt. Letzterer gab an, Dubowy „gefühlt einmal im Monat“ im Büro gesehen zu haben.
Die Finanzierung des ISP
Nun benötigt jede Einrichtung, die auf Dauer publizieren und Veranstaltungen organisieren bzw. beschicken möchte, erhebliche finanzielle Mittel. Deren Herkunft und Verwendung beim ISP hat insbesondere seit 2018 das Interesse verschiedener Medien auf sich gezogen – und auch das der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): das ISP ist einer jener Vereine, die von dieser auf mögliche verdeckte Geldflüsse zu „politischen Parteien“ (gemeint: die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs/FPÖ) geprüft wurden bzw. werden.
Allgemein bekannt ist ein Kooperationsvertrag zwischen dem ISP und Novomatic, nach Selbstbeschreibung „einer der größten Gaming-Technologiekonzerne der Welt“. Laut Tschank wurde der Vertrag 2018 (als er – Zufall oder nicht – gerade Nationalratsabgeordneter der FPÖ war) geschlossen. Er läuft bis Ende 2020, wobei Novomatic sich zu Gesamtzahlungen von – nach verschiedenen Angaben – zwischen 200.000 und 240.000 Euro verpflichtet hat und dafür „definierte Leistungen“ erhält. Man kann aber auch die Information finden, dass das ISP von Novomatic nur 2018 und 2019 240.000 Euro ausbezahlt bekommen hat. Jedenfalls bestätigte Novomatic-Pressesprecher Bernhard Krumpel eine „mehrjährige Kooperationsvereinbarung“ mit dem ISP. Die Zusammenarbeit bestehe
„u. a. aufgrund von Vorgaben internationaler Glücksspielbehörden [,] unsere Kompetenzen im Bereich Security und Safety zu verstärken sowie Aktivitäten vorzuweisen. Aus dem Grund fanden und finden mit dem ISP gemeinsame Projekte und Einzelkooperationen statt, wobei unsere Vertragslaufzeit mit der des Verteidigungsministeriums ident ist, das ein wesentlicher Kooperationspartner des ISP ist.“
Gegenüber der APA ergänzte Krumpel, dass Novomatic alles das gegenüber den Behörden „selbstverständlich“ offengelegt habe. Es gäbe hier, so Novomatic, „kein Geheimnis“, sei man doch mit dem eigenen Logo auch bei Veranstaltungen des ISP vertreten gewesen. Die Gespräche über die Kooperation hätten bereits vor der (im Dezember 2017 gebildeten) Regierung aus FPÖ und christdemokratischer Österreichischer Volkspartei (ÖVP), nämlich unter der Koalition aus Sozialdemokratischer Partei Österreichs (SPÖ) und ÖVP unter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), begonnen.
Tschank wiederholt bei jeder Gelegenheit, dass es sich beim ISP um einen „parteiunabhängigen sicherheitspolitischen Think-Tank“ handle. Das führt allerdings sofort zu der grundsätzlichen Frage, wozu ein Glücksspielkonzern „Analysen“ zur Sicherheitspolitik und konkret zu Wladimir Putins Russland (siehe dazu unten) benötigt: es ist wenig wahrscheinlich bzw. wäre erst nachzuweisen, dass genau das aus irgendwelchen „Vorgaben internationaler Glücksspielbehörden“ hervorgeht. Ist Novomatic vielleicht im bekannt lukrativen Online-Spielbereich Russlands aktiv? Dazu meinte Anfang Februar 2019 Thomas Graf, damals im Novomatic-Vorstand für Technik zuständig, dass man nur auf regulierte Märkte gehe, „weshalb Russland oder China nicht infrage kommen“.
Jedenfalls ist es das ceterum censeo Tschanks seit 2018, dass alle Einkünfte aus den Kooperationsverträgen „stets ordnungsgemäß versteuert“ wurden; es habe „zu keiner Zeit weder direkt oder indirekt Zahlungsflüsse an eine Partei oder parteinahe Organisationen“ gegeben. Derartiges wäre mit den Statuten des ISP „vollkommen unvereinbar“. Diese Statuten sucht man auf der Homepage des ISP freilich vergeblich.
Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, rechtfertigte in Interviews die Zahlungen seines Ressorts an das ISP: Dieses bekomme „dieselbe Summe wie andere Kooperationsinstitute“. Zudem sei, so bestätigte Bauer, die Vereinbarung zwischen dem Verteidigungsministerium und ISP schon Anfang 2017, also unter SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, abgeschlossen worden. Blumig – um nicht zu sagen: inhaltsarm – wirkte Bauers Erklärung für die Auswahl ausgerechnet des ISP als Kooperationspartner: „Das Verteidigungsministerium ist auch an demokratiepolitische Dynamiken gebunden. Erst die Berücksichtigung aller Faktoren kann die umfassende sicherheitspolitische Beurteilung garantieren.“ Auch auf die – mehr als berechtigte – Nachfrage, ob ein Institut mit einem Präsidenten (d.h. Tschank), der im Vorstand der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft saß, geeignet sei, Analysen ausgerechnet zu Russland zu liefern, antwortete Bauer ausweichend: Das „Schwergewicht“ des ISP sei auf „sicherheitspolitische Fragen in Bezug auf die Nachbarländer Tschechien, Slowakei und Ungarn und den Westbalkan festgelegt“. – Allerdings können sich alle Besucher der Homepage des ISP davon überzeugen, dass diese Länder bzw. Region eindeutig nicht im Mittelpunkt von dessen Tätigkeit stehen, sondern die frühere Sowjetunion und konkret Russland.
Tschank schied dann aus der Führung der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft aus, doch Brigadier Gustav E. Gustenau, lange Jahre stellvertretender Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik des Verteidigungsministeriums und (bis Februar 2020) dessen Verbindungsmann zum Sekretariat des Nationalen Sicherheitsrates Österreichs, saß weiter im Präsidium dieser Gesellschaft (worüber die Homepage der Gesellschaft denn auch freimütig informierte) – wie übrigens auch Johannes Hübner, ein Wiener Rechtsanwalt, der zwischen 2008 und 2017 Nationalratsabgeordneter der FPÖ war.
Im Februar 2012 erfuhr die Öffentlichkeit, dass eine kleine Delegation der FPÖ, bestehend aus ihrem außenpolitischen Sprecher – eben Hübner – und Johann Gudenus (der etwas Russisch spricht und „the most energetic advocate of the pro-Russian position“ in der Partei war), nach Grosny gereist ist, um den Herrscher der nordkaukasischen Republik Tschetschenien von Putins Gnaden, Ramsan Kadyrow, zu treffen. Im Gespräch mit einem tschetschenischen Fernsehsender sagte Hübner, dass er „von den Fortschritten der Republik [= Tschetschenien] beeindruckt“ sei. – Dieser Besuch spiegelte auch und gerade das Bestreben der FPÖ wider, die tschetschenischen Flüchtlinge in Österreich so schnell wie möglich nach Russland zu schicken – etwas, was auch Kadyrow anstrebte. – Das österreichische Außenministerium bezeichnete die Entscheidung der FPÖ, eine Delegation zu Kadyrow zu entsenden, als „absurd“. Die FPÖ distanzierte sich aber nicht von dieser ihrer „Nebenaußenpolitik“.
Im März 2014 gehörten Gudenus und Hübner zu den „internationalen Beobachtern“, die ein „Pseudomonitoring“ des „Referendums“ auf der bereits von russischen Truppen besetzten ukrainischen Halbinsel Krim (die Reise war von der aus Moskau finanzierten Organisation „Eurasisches Observatorium für Demokratie und Wahlen“ unter Leitung des belgischen „Nationalbolschewiken“ Luc Michel organisiert worden) durchführten; de facto war es nichts als eine Comédie plébiscitaire gewesen. Hübner zog sich 2017 von der Kandidatenliste der FPÖ für die Nationalratswahl zurück, nachdem antisemitische Anspielungen in einem Vortrag im Jahr 2016 an die Öffentlichkeit gelangt waren.
Im Juni 2020 behauptete Gudenus (der ab Herbst 2019 auch wegen sich verdichtender Hinweise auf Kokainkonsum während seiner politischen Karriere – er war u.a. Vizebürgermeister von Wien – in „Erklärungsnotstand“ geraten war), dass der Vorschlag zur Schaffung des ISP nicht von seiner Partei, sondern von Doskozil gekommen sei. Dieser habe der FPÖ telefonisch vorgeschlagen, nach dem Vorbild von SPÖ und ÖVP einen sicherheitspolitisch orientierten Verein zu gründen, den das Verteidigungsministerium dann finanziell ausstatten würde (Doskozil bestritt das entschieden). Gudenus bezeichnete diese angebliche Idee Doskozils noch immer als gut, weil im ISP „sehr, sehr viel passiert ist, was Sicherheitspolitik betrifft, Strategie betrifft und dergleichen“. – Das Büro Doskozils, der inzwischen Landeshauptmann des Burgenlands ist, bestritt Gudenus‘ Darstellung entschieden. Das ISP habe in Doskozils Amtszeit als Verteidigungsminister „keinen Cent bekommen“. Es sei aber richtig, dass jedes Ministerium „auch darauf angewiesen ist, Expertise zuzukaufen und sich beraten zu lassen“. Landeshauptmann Doskozil geht laut seinem Büro davon aus, dass seine Nachfolger als Verteidigungsminister die Erbringung von Leistungen geprüft haben, bevor sie Gelder an das ISP freigaben. Wenn es eine entsprechende Gegenleistung des ISP gegeben habe, liege auch kein Problem vor. Mit Parteienfinanzierung habe das jedenfalls nichts zu tun. – Damit stellte sich das Büro von Landeshauptmann Doskozil, gewollt oder ungewollt, hinter die einschlägigen Darstellungen von Tschank. Letzterer betonte allerdings, dass es unter Minister Doskozil (der zwischen dem 26. Jänner 2016 und dem 18. Dezember 2017 amtierte) sehr wohl zu Zahlungen des Verteidigungsministeriums an das ISP gekommen sei.
Der politisch interessierte Beobachter reibt sich die Augen: Ist es denn wirklich schwierig bis unmöglich, eindeutig zu beweisen oder zu widerlegen, ob ein Bundesministerium – das grundsätzlich ohne schriftliche Dokumentation keinen Cent ausgeben darf – vor nicht allzu langer Zeit einem privaten Verein Geld überwiesen hat? Am 21. Juni 2020 berichtete die Wiener Tageszeitung „Der Standard“ unter Berufung auf die interne Buchhaltung des ISP (d.h. nicht auf Dokumente aus staatlichen Behörden), dass dieses tatsächlich schon unter Minister Doskozil Geld aus dem Verteidigungsministerium erhalten hat – und zwar exakt 100.000 Euro am 1. Juni 2017. Daraufhin räumte das Büro von Landeshauptmann Doskozil nun doch einen „Fehler aufgrund eines falschen Informationsstandes“ ein. In Doskozils Entscheidung von 2017, das ISP zu finanzieren, konnte das Büro aber nach wie vor kein Problem erblicken.
Nicht uninteressant ist auch, dass das ISP Spenden von einer ILAG Vermögensverwaltungs GmbH erhielt, die gänzlich im Eigentum einer Industrieliegenschafts AG steht. Letzteres Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat u.a. der ehemalige Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) vertreten ist, gehört der in Österreich für ihre Diskretion bekannten Unternehmerfamilie Turnauer. Doch zu welchem konkreten Zweck sponserten diese beiden Firmen das ISP und andere FPÖ-nahe Vereine mit zwischen November 2015 und August 2018 angeblich 475.000 Euro, wobei im Juni 2018 100.000 an das ISP gegangen sind?
Im Dezember 2017 wurde Mario Kunasek (FPÖ) Verteidigungsminister in einer Koalition mit der ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Kunasek hatte gegen die Zahlungen seines Ministeriums an das ISP natürlich nichts einzuwenden – im Gegenteil. Eine am 21. November 2018 eingelangte parlamentarische Anfrage von Abgeordneten der damals wie heute oppositionellen liberalen Neos an Kunasek über das ISP bezog sich auf Berichte im „Profil“ und wollte insbesondere wissen, welche Leistungen das ISP für 200.000 Euro im Jahr, bezogen auf den Zeitraum zwischen Anfang 2017 und Ende 2020, erbringt.
Die ÖVP-FPÖ-Koalition zerschellte bekanntlich am Eisberg „Ibizagate“ im Mai 2019, eine Beamtenregierung unter der parteilosen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein folgte. Aus dieser Zeit, konkret vom 4. Juli 2019, datiert der Entschließungsantrag „Betreffend 200.000 € aus dem Kunasek-Verteidigungsministerium für FPÖ-nahen Verein“ der ÖVP-Nationalratsabgeordneten Josef Moser und Michael Hammer. Hier wird eine „pro-russische Ausrichtung“ des ISP konstatiert (siehe dazu auch unten) und u.a. mit einem Zitat aus einer Publikation Dubowys belegt. Weiters heißt es:
„Gegen den Präsidenten des ISP, FPÖ-Nationalratsabgeordnetem Markus Tschank, läuft bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und betrügerischen Krida. Die Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit dem sogenannten Ibiza-Video, die WKStA geht dem Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung durch FPÖ-nahe Vereine nach, in denen Abg. z. NR Tschank aktiv war. Im Anbetracht dieser Vorwürfe ist daher eine Überprüfung der Leistungsvereinbarung zwischen dem damals von FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek geführten BMLV [Bundesministerium für Landesverteidigung] und dem von FPÖ-Nationalratsabgeordnetem Markus Tschank geführten ISP unumgänglich.“
Daher solle, so das Begehren des Entschließungsantrages, die interne Revision des Verteidigungsministeriums mit einer Prüfung der Leistungsvereinbarung des Ressorts mit dem ISP und dessen konkreten Leistungen nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Sparsamkeit beauftragt werden, worüber dem Nationalrat bis spätestens 15. August 2019 Bericht zu erstatten wäre.
Nun ist natürlich nicht zu verkennen, dass auch die ÖVP selbst ganz und gar nicht ohne „pro-russische“ Politiker und Funktionäre auskommt, die dem Vernehmen nach auch und gerade in der Wirtschaftskammer – wo man Putin bei jedem seiner Besuche stehend applaudiert – in besonderer Dichte anzutreffen sind. Jedenfalls fand der parteilose Verteidigungsminister der Beamtenregierung, Thomas Starlinger, in seiner schriftlichen Reaktion vom 13. August 2019 auf den Entschließungsantrag am Erbe seines Vorgängers Kunasek überhaupt nichts auszusetzen, und auf die „pro-russische Ausrichtung“ des ISP ging er erst gar nicht ein. Stattdessen bezog er sich allgemein auf alle – formal privaten – Institute, mit denen das Verteidigungsministerium „kooperiert“ (im Klartext: die es mit Steuergeld am Leben erhält). In einer Anlage zu Starlingers wenig erhellendem Schreiben findet sich ein Überblick über alle diese Einrichtungen, als da (vom ISP selbst abgesehen) wären: das Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES), das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung (ASPR/ÖSFK), das Bruno Forum Kreisky (BKF) und das Österreichische Institut für internationale Politik (OIIP). Das erste gilt als ÖVP-nahe, die anderen drei als mehr oder weniger der SPÖ „zugeneigt“. Zum ISP heißt es hier: „Bei der für das BMLV relevanten Wissensgenerierung legt das ISP das Hauptaugenmerk auf die Analyse von Wechselwirkungen politischer Projektionen von den USA und Russland“ (was sind „Wechselwirkungen politischer Projektionen von den USA und Russland“ eigentlich konkret?). Und weiter im Text: „Die vom ISP erbrachten Leistungen weisen eine hohe Qualität und Policy-Relevanz im Rahmen des sicherheits- und verteidigungspolitischen Beratungsprozesses des BMLV auf.“ Mit anderen Worten: Eine objektive Beleuchtung der inhaltlichen Tätigkeit des ISP bzw. der „Kooperation“ des Verteidigungsministeriums mit ihm fand hier nicht in Ansätzen statt. Sie würde allerdings auch und gerade deswegen nottun, um die Belastung für die Steuerzahler abzuschätzen, der durch die Förderung des ISP durch das Verteidigungsministerium entsteht – von möglichen versteckten Finanzierungen für die FPÖ einmal ganz abgesehen. Übrigens veranstaltete das ISP am 2. Dezember 2019 zusammen mit der Novomatic im Festsaal des Palais Eschenbach in der Wiener Innenstadt einen Vortrag von Severin Glaser von der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema „Geldwäsche – Risikofaktoren & Prävention in Theorie und Praxis“. Und zwar ganz im Ernst, ohne jede satirische Absicht.
Doch wie konnte Starlinger, der in seiner halbjährigen Amtszeit wiederholt auf die – faktisch zweifellos bestehende – drastische Unterfinanzierung des Bundesheeres aufmerksam machte und der FPÖ (als Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen) dezidiert fernsteht, ausgerechnet die Auslagen für das ISP rechtfertigen? Oder las er erst gar nicht, was ihm die Bürokraten seines Ministeriums zur Unterschrift vorgelegt hatten? Das sind nur wenige der vielen Fragen, die sich bei der Beschäftigung mit dem ISP, seinen Aktivitäten und seiner Finanzgebarung aufdrängen. Die meisten Antworten fehlen nach wie vor – und zwar auch und gerade deswegen, weil viele der ursprünglich oder sogar bis jetzt in alle diese Vorgänge verwickelten Personen entweder schweigen und mauern, Nebelkerzen werfen oder aber überhaupt falsche Spuren legen.
Tschank, als Rechtsanwalt ohnedies Vertreter einer nicht gerade am Hungertuch nagenden Berufsgruppe und zeitweise eben auch Angehöriger des Nationalrates mit entsprechendem Salär, genehmigte sich „Zubrote“, die Durchschnittsverdiener vor Neid erblassen oder aber vor Zorn erröten lassen. So kassierte er über das ISP (aufgrund eines Beschlusses von dessen Vorstand im Februar 2018) netto 36.000 Euro pro Jahr als „Management Fee“. Außerdem verrechnete er regelmäßig für Tätigkeiten (Telefonate, E-Mails usw.), die er angeblich oder tatsächlich für das ISP abwickelte, zu einem (bei Anwälten üblichen) Stundensatz von 350 Euro. Dazu kamen „Regiekosten“, also „Miet- und Personalkosten für das Büro“, die Tschank pauschaliert abrechnete: für drei Monate noch einmal 9.000 Euro. Und ISP-Präsident Tschank stellte dem Anwalt Tschank auch Rechnungen für „juristische Beratung“ aus.
Der „Standard“ fasste zusammen, dass das ISP für Tschank eine „lukrative Geldquelle“ sei. Unter entscheidender Bezugnahme auf den Bericht dieser Zeitung brachten die Neos am 12. März 2020 eine weitere parlamentarische Anfrage zum ISP und Tschank an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ein. Diese antwortete genau zwei Monate später unter explizitem Verweis auf das ISP, dass die dortigen Spesenabrechnungen nicht Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind. Es gehe stattdessen um „Spenden, die an parteinahe Vereine geleistet wurden, wobei aus strafrechtlicher Sicht ausschließlich der Verdacht der Untreue auf Seiten der Spender geprüft wird […].“
Im gegenständlichen Kontext relevant ist auch der Auftritt Tschanks vor dem „Ibizagate“-Untersuchungsausschuss des Nationalrates am 10. Juni 2020. Tschank, gegen den nach wie vor Ermittlungen der WKStA (die den Entzug seiner Abgeordnetenimmunität beantragt hatte, was denn auch – u.a. mit seiner eigenen Stimme – am 13. Juni 2019 erfolgte) laufen, machte ausgiebig von seinem Recht auf Entschlagung der Aussage Gebrauch; aber natürlich stellte er jegliche Zahlungen an die FPÖ über das ISP in Abrede. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper vermutete allerdings, dass vom ISP 45.000 Euro an zwei Firmen geflossen seien, darunter die Imbeco GmbH Tschanks, an der auch Gudenus – im Juli 2017 beim berühmt-berüchtigten Treffen mit einer „russischen Oligarchennichte“ auf Ibiza Heinz-Christian Straches Mitkämpfer und -trinker – und der nunmehrige Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp still beteiligt waren. SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer schlussfolgerte im Untersuchungsausschuss, dass „Geld von der Novomatic über die [sic!] ISP über eine GmbH an Politiker geflossen ist.“ Gudenus und Nepp wollen freilich „keinen Cent“ gesehen haben. Und Novomatic hatte von Anfang an jegliche Zahlungen an die FPÖ oder ihr „vorgeschaltete“ Vereine dementiert, um Straches auf Ibiza formulierten „Novomatic zahlt alle“-Sager nicht unkommentiert im Raum stehen zu lassen. Der damalige FPÖ-Chef hatte zudem auf Ibiza ganz explizit Vereine als Umgehungskonstruktionen für Parteispenden an die FPÖ „am Rechnungshof vorbei“ ins Spiel gebracht. Nach Einschätzung des „Profil“ betrachtet die österreichische Justiz mit Stand Juni 2020 die Zahlungen von Novomatic an das ISP als „mutmaßliches Bestechungsgeld“. Und die gleiche Zeitschrift gewann aus der Analyse von Straches Ausführungen auf Ibiza den Eindruck, dass diese „wie jene eines Novomatic-Pressesprechers“ klingen würden.
Im Juni 2020 wurde bekannt, dass auch Strache selbst an der Imbeco beteiligt war, was er zwar dem Rechnungshof, nicht aber dem Parlament gemeldet hatte. Das ISP hat 27.000 Euro an die Imbeco bezahlt (die es dann später rücküberwies). Und eine andere Tschank-Firma, Pegasus, hat Geld an das ISP transferiert. Im gleichen Monat stellte sich heraus, dass – nachdem lange angenommen worden war, dass das ISP ausschließlich an die FPÖ „gerichtete“ Spenden „einsammeln“ sollte – umgekehrt (auch) die Partei an das ISP gezahlt hat, nämlich 25.000 Euro im Jahr 2017 und 10.000 2018. Der Sinn dieser Transaktionen ist bisher unklar.
Nicht uninteressant ist auch, dass Tschank mit Krumpel (übrigens seinerzeit Pressesprecher des ÖVP-Finanzlandesrates von Niederösterreich, Wolfgang Sobotka; dieser ist seit Dezember 2017 Nationalratspräsident) verbunden war: die beiden betrieben bis 2016 eine GmbH namens Polimedia, die zumindest 2013 und 2014 auf Vertragsbasis für die FPÖ Wien arbeitete. Ende 2016 löste ein damals der breiten österreichischen Öffentlichkeit noch unbekannter Mann Krumpel als Polimedia-Geschäftsführer ab: Peter Sidlo, langjähriger FPÖ-Bezirksrat in Wien-Alsergrund. Anfang 2018 schickte man die Polimedia in Liquidation. Ist es eigentlich ein Zufall, dass ausgerechnet Sidlos Schwager Markus Braun Kassier des ISP wurde? Wohl kaum, war er doch ein zentraler Akteur des FPÖ-nahen Vereinsnetzwerkes – und Obmann des Vereins „Austria in Motion“, der – wie auch das ISP – in den Verdacht geriet, Spenden für Straches FPÖ lukriert zu haben. Krumpel erregte spätestens Anfang März 2020 das Interesse der WKStA; im Folgemonat wurde bekannt, dass er Novomatic verlässt.
Veranstaltungen und Expertenpool des ISP
Im Mai 2018 trat Tschanks ISP als Organisator einer „Mitteleuropäischen Sicherheitskonferenz“ im exklusiven Wiener Park Hyatt Hotel in Erscheinung, wo man über „aktuelle sicherheitspolitische Bedrohungen in Europa“ debattierte – unter Teilnahme der von der FPÖ gestellten bzw. nominierten Minister Kunasek, Norbert Hofer (Infrastruktur) und Karin Kneissl (Außenamt). Dazu kamen u.a. der FPÖ-Mann Wolfgang Baumann, damals Generalsekretär des Verteidigungsministeriums, sowie Politiker aus Slowenien, Bulgarien und Kroatien. Berichte über diese wissenschaftlich unergiebige, dafür aber umso kostspieligere Veranstaltung finden sich übrigens bis heute auf den Homepages des Verteidigungsministeriums und des St. Georgs-Ordens. Dort wiederum sind bzw. waren zahlreiche FPÖ-Mandatare als „Ehrenritter“ aktiv, darunter Hofer (Straches Nachfolger als FPÖ-Chef) sowie Gudenus und Tschank. Der von Karl Habsburg (Enkel des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn, Karl) als Großmeister geleitete Orden „bezweckt die Verehrung des Heiligen Georgs als Schutzpatron des Rittertums“ und unterstützt „den alt-österreichischen Staatsgedanken“ – was immer das zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch konkret bewirken soll.
Im Februar 2019 hielt der FPÖ-Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag Udo Landbauer im Fünf-Sterne-Hotel „Weisses Rössl“ in Kitzbühel für das ISP einen dreitägigen Workshop zum Thema „Neutralität und Sicherheit in Mitteleuropa“ ab. Das ISP bewirbt seine Veranstaltungen ansonsten recht offensiv, doch hier handelte es sich um eine geschlossene Gesellschaft; über die Teilnehmer schwieg sich der dazu befragte Tschank demonstrativ aus. Auf die Frage nach dem Nutzen entgegnete er mit einem Hinweis auf Landbauers Position als Sicherheitssprecher der niederösterreichischen FPÖ.
Ebenfalls im Februar 2019 luden das ISP, die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft sowie die Forschungsgruppe für Polemologie und Rechtsethik der Universität Wien (die wiederum eng mit der Landesverteidigungsakademie in Wien kooperiert; vgl. dazu unten) zur Präsentation eines als „Politthriller“ bezeichneten Buches, nämlich „2054 – Putin dekodiert“ von Alexander Rahr. Der Deutsche Rahr, der sich gerne als „bekanntester Russland-Experte Deutschlands“„ sowie als „Professor“ (er ist Ehrenprofessor zweier Moskauer Hochschulen) ansprechen lässt, ist Autor zahlreicher Publikationen über Russland und einer der einflussreichsten „Putinversteher“ im deutschsprachigen Raum. Rahr kann alles „erklären“ – Putins autoritär-nationalistisches Regime, dessen Kriege (derzeit gegen die Ukraine sowie in Syrien und Libyen) sowie Annexionen der Halbinsel Krim und, de facto, der separatistischen Gebiete in der Republik Moldova (Dnjestr-Gebiet) und in Georgien (Abchasien, Südossetien). Rahr ist freilich in erster Linie Lobbyist für den vom Kreml kontrollierten Erdgasriesen Gazprom; mit wissenschaftlicher oder auch „nur“ kritisch-unabhängiger Politikanalyse hatte er nie zu tun. Eine Andeutung dieses Umstandes fand sich „sogar“ in einem Bericht über diese Veranstaltung, den die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft auf ihre Homepage setzte: dort heißt es, dass Rahr „als Unternehmensberater in der Energiewirtschaft tätig ist und unter anderem Gazprom Brüssel berät.“ Rahr ist seit vielen Jahren Dauergast in verschiedenen Medien, wobei ihm Aussagen wie „Die Amerikaner haben den Deutschen das Hirn amputiert“, „Die Deutschen sind der moralischen Stärke Israels verfallen, weil man ihnen den Holocaust ständig unter die Nase reibt“ und „Der Westen verhält sich wie die Sowjetunion“ (und viele ähnliche mehr) nie auf Dauer geschadet haben. Und in den Augen des ISP und jener, die es betreiben und finanzieren, hat er sich damit – offensichtlich – schon gar nicht diskreditiert.
Auf der Homepage des ISP finden sich mit Stand Mitte Juni 2020 über 50 als „Experten“ bezeichnete Personen aus Österreich, Deutschland, Italien, Holland, Bosnien-Herzegowina, den USA, Russland, China, Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Rumänien, Moldova, Bulgarien, der Ukraine, Kanada, Weißrussland und Portugal, ohne dass freilich immer ersichtlich wäre, in welchem konkreten Verhältnis sie jeweils zum ISP stehen. Dubowy zählt sich selbst zu den „Experten“ seines eigenen ISP; dazu kommen noch u.a. Rahr und der russische Politologe Sergey Markedonow, dessen Interpretationen der Ereignisse mit den offiziellen Positionen des Kremls so gut wie immer „erstaunlich kompatibel“ sind (dieser Umstand hat Dubowy und Markedonow eine gemeinsame Publikationstätigkeit zweifellos erleichtert). Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob eigentlich alle in der Rubrik „Experten“ aufscheinenden Leute von dieser ihrer Ehre, mit dem ISP in Kontakt stehen zu dürfen, wissen. Zumindest in einem Fall war das nicht so, und als die betroffene Person davon erfuhr und von Dubowy verlangte, aus der Liste entfernt zu werden, tat dieser das unverzüglich. Einige der „Experten“ tauchen auf der ISP-Homepage auch als Autoren von „Working Papers“ auf. Es gibt aber auch Autoren, die man (inzwischen) unter den „Experten“ vergeblich sucht. Besondere Aufmerksamkeit verdient hier der Russlanddeutsche Jurij Kofner, der auf der ISP-Homepage bis zumindest zum 18. August 2019 als „Experte“ genannt war, bald darauf aber aus der Liste verschwand. Er blieb jedoch als Autor von Publikationen noch für einige Monate auf der Homepage, bevor er auch in dieser Eigenschaft von dort entfernt wurde. Bei ihm handelt es sich um eine – wohlwollend formuliert – schillernde Persönlichkeit:
„Wer in das Netzwerk rund um Kofner eintaucht, stößt auf skurrile Institute und Persönlichkeiten: Da tummeln sich ehemalige KGB-Agenten, Neonazis, faschistische Publizisten wie der ‚SS-Bewunderer‘ Alexander Dugin und Putin-Vertraute wie Wladimir Jakunin. Immer wieder führen Spuren rechtslastiger Organisationen in Wien und Deutschland zu Personen im Umfeld der russischen Regierung.“
Ja, und später auch zum ISP (dieser „Standard“-Artikel war 2016, also vor dessen Gründung, erschienen). Kofner, der für die Putin massiv unterstützende und unablässig Verschwörungstheorien verbreitende deutsche Postille „Compact“ von Jürgen Elsässer tätig war (und dabei u.a. den Chef der rechtsextremen österreichischen „Identitären“, Martin Sellner, sowie Elsässer selbst interviewte), ist Dauergast in russischen Staatsmedien und hat ausgezeichnete Kontakte selbst zu hochgestellten Stellen in Moskau. Kofner, auch Vorsitzender einer „Russischen Eurasischen Bewegung“ (wenngleich er behauptete, sich von Dugin – dem Hauptideologen des Neoeurasismus, der u.a. 2014 offen zum Krieg gegen die Ukraine aufrief – distanziert zu haben), postete auf seiner Facebook-Seite u.a. Photos, die ihn zusammen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow, Wladimir Jakunin, dem pro-Kreml-Politiker Konstantin Kossatschjow, Alexander Gauland von der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) und, man höre und staune, dem damaligen Chef der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl (ÖVP), zeigen. Ein Bild mit dem russischen Geheimdienstagenten Igor Girkin (nom de guerre „Strelkow“; dieser beanspruchte direkt, im Frühjahr 2014 im Donbass den Krieg gegen die Ukraine entfesselt zu haben) entfernte Kofner wieder. Der Rechtsextremismus-Experte Anton Shekhovtsov kommentierte gegenüber Kofner persönlich: „You supported the destruction of Ukraine and your friendly handshake with a mass murderer [Girkin] is too natural.“ Tatsächlich sprach sich Kofner 2014 offen für die territoriale Zerschlagung der Ukraine aus:
„Noworossija ist von den Kräften der illegalen faschistischen oligarchischen Junta aus Kiew besetzt, die selbst ein Kollaborationsregime des amerikanischen Imperiums ist und Befehle aus Washington erhält. Daher ist der ‚Russische Frühling‘ als eine populäre und nationale Befreiungsbewegung Noworossijas zu verstehen. Noworossija ist ein neuer souveräner Staat, der aus acht ehemaligen südöstlichen Oblasten der Ukraine (Odessa, Nikolajew, Cherson, Donezk, Lugansk, Charkow, Dnepropetrowsk, Saporoschje, Kirowograd) und möglicherweise auch aus Transnistrien gebildet wird.“
Nicht weniger wichtig als das, was sich auf der ISP-Homepage findet, ist freilich das, was dort fehlt: kritische Analysen der russischen Politik, beginnend beim undemokratischen Kurs Putins im Inneren bis hin zu den Kriegen, die er seit Jahren in verschiedenen Ländern geführt hat bzw. immer noch führt – 1999-2009 im nordkaukasischen Tschetschenien, 2008 gegen Georgien, seit 2014 gegen die Ukraine (mit Besetzung bzw. Annexion von Teilen ihres Territoriums), seit 2015 in Syrien (um Bashar al-Assad, der wiederholt Chemiewaffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt hat, an der Macht zu halten) und dann auch in Libyen. So kommen z.B. die zielgerichtete Bombardierung von syrischen Krankenhäusern durch die russische Luftwaffe und andere, ebenfalls wenig erbauliche Vorgänge im ISP – natürlich – nicht vor. Subjektiv kann man das ganz leicht nachvollziehen: Dubowy will seine bekannt ausgezeichneten Kontakte zur russischen Botschaft in Wien und nach Moskau nicht gefährden.
Beachtung verdient auch die – auf der Homepage des österreichischen Parlaments veröffentlichte – „Leistungsübersicht des Instituts für Sicherheitspolitik 2017-2019“. Ihr lässt sich eine „geballte Präsenz“ von Rahr, Markedonow und Fjodor Lukjanow (siehe dazu unten) bei ISP-Aktivitäten entnehmen. Dazu kommen noch u.a. der FPÖ-nahe Lothar Höbelt, Professor für neuere Geschichte an der Universität Wien; Christian Stadler, Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Wien (und Dubowys Doktorvater, der diesen lange gefördert hat); und der einstige Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr Harald Kujat, der seit 2016 als Aufsichtsratsmitglied von Jakunins „Dialog der Zivilisationen“ fungiert und sich dessen durch zahlreiche Medienauftritte mit pro-Putin-Schlagseite „würdig“ erweist. Man muss ein Auflachen unterdrücken, wenn man etwa liest, dass das ISP am 16. April 2018 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ukraine, quo vadis?“ in Kooperation ausgerechnet mit der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft organisiert hat: Sollte das etwa größtmögliche „Objektivität“ garantieren?
Politische Positionen Tschanks und Dubowys
Von Tschank war natürlich nicht zu erwarten, dass er sich im Nationalrat kritisch über die Politik Putins äußern würde. Stattdessen sagte er z.B. in einer Rede am 21. März 2018: „Das Verhältnis des Westens zu Russland bezeichnet Michail Gorbatschow als neuen Kalten Krieg. Massive Wirtschaftssanktionen belasten das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland.“ Da fällt kein Wort über die Annexion der Krim, welche die – ohnedies zahnlosen – Sanktionen der EU 2014 ausgelöst hat.
Und Dubowy? Er ist ein ethnischer Russe, der in Semipalatinsk (Kasachstan) – übrigens nicht als Alexander, sondern als Ruslan – zur Welt gekommen ist, aber seit vielen Jahren in Österreich lebt (und sich inzwischen für einen „gelernten Österreicher“ hält). Sehr viel wichtiger als das ist allerdings, dass er (fast immer mit Erfolg) sein Bestes tut, um über Putin kein skeptisches Wort zu verlieren. Genau diese Eigenschaft hat ihm den Job im ISP denn auch eingebracht. Zu seinen persönlichen „Qualitäten“ sei vermerkt, dass er sich mitunter Gegenstände, so Bücher, „ausleiht“ und trotz unmissverständlicher Aufforderung nicht rückerstattet. Und als Dubowy bemerkte, dass sich immer mehr Journalisten für ihn und seine Rolle im ISP interessierten, bemühte er sich (freilich nur mit begrenztem Erfolg), in den betreffenden Artikeln nicht erwähnt zu werden – u.a. dadurch, dass er anbot, „in anderen Angelegenheiten nützlich“ zu sein. Zudem stellte er sogar in Abrede, was er selbst in Interviews gesagt hatte und anhaltend im Internet abrufbar war. Allerdings wurde Dubowy zunehmend nervöser. So drohte er im November 2020 einem unabhängigen Wiener Think-tank mit einer Klage vor einem Strafgericht, wenn dieser nicht einen völlig harmlosen Artikel, in dem Dubowy mit keinem Wort irgendwelcher Vergehen bezichtigt worden war, von seiner Homepage entfernt. Will Dubowy etwa eine Art Zensur etablieren? Jedenfalls versuchte er, „Spuren“ der Kontakte zwischen ihm und dem „Dialog der Zivilisationen“ zu beseitigen, verzeichnete dabei aber angesichts ihrer großen Zahl im Internet nur beschränkte Erfolge. So ist der Homepage des „Dialoges“ nach wie vor zu entnehmen, dass er – übrigens zusammen mit Gustenau – 2016 auf der Veranstaltung „Core Europe and/or Greater Eurasia: Options for the Future“ sprach.
Dubowy behauptete, keinesfalls eine „Person öffentlichen Interesses“ zu sein. Das war insofern kurios, als über ihn zahllose Male in verschiedenen Medien berichtet worden ist und er auch (siehe oben) Gegenstand der Aufmerksamkeit verschiedener Abgeordneter des österreichischen Nationalrates war, konkret in Parlamentarischen Anfragen sowie im Untersuchungsausschuss zu „Ibizagate“ (wo sich der – und zwar von einem FPÖ-Mann – nach Dubowy befragte Tschank auf das Recht berief, sich der Aussage zu entschlagen).
Und was hat Dubowy inhaltlich zu bieten? Er „bezweifelte“ kurzerhand die Urheberschaft russischer Geheimdienste für den Anschlag auf den Überläufer Sergej Skripal und seine Tochter im März 2018 im englischen Salisbury; und Ratschläge für die Ermittler hatte er auch gleich parat: „Die Motive für diese Tat sollten eher im beruflichen und privaten Umfeld von Sergej Skripal gesucht werden.“ Hinterfragenswert sind auch Dubowys Meinungen über die Ukraine:
„Die Minsker Abkommen bleiben bis heute die einzige Grundlage für die Lösung des Donbass-Konflikts. Ihre Umsetzung hängt aber sowohl von internationalen als auch von ukrainischen nationalen Vorbedingungen ab. Die zentrale internationale Vorbedingung bildet die Zusammenarbeit zwischen Washington und Moskau.“
Nein, Herr Dubowy. Die „zentrale internationale Vorbedingung“ für die Lösung dessen, was Sie hier als „Donbass-Konflikt“ bezeichnen, ist eine Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine, den klar zu benennen und zu verurteilen Sie sich nie durchringen konnten.
Als Prognostiker ist Dubowy „inexistent“. So glaubte er anlässlich von im Jänner 2020 in die Staatsduma, dem Unterhaus des russischen Parlaments, eingebrachten Änderungen der Verfassung an eine dabei angeblich geplante „Begrenzung präsidialer Amtszeiten“. In einem Interview im Folgemonat äußerte er, dass Putin voraussichtlich 2024 abtreten werde. Dubowy „begründete“ diese Meinung u.a. damit, dass der russische Präsident „auch nicht jünger wird“ (!?) und „nicht Mugabe werden“ wolle (das war ein Hinweis auf den inzwischen verstorbenen Präsidenten Simbabwes, der sein Land noch mit über 90 Jahren regierte). Spätestens am 10. März 2020 war Dubowy aber von der „Wiederwahl“ Putins als Präsident 2024 überzeugt (ohne daran freilich etwas auszusetzen). – Sollte Putin also – im Gegensatz zu Dubowys ursprünglicher Meinung – doch „Mugabe“ werden wollen? Jedenfalls ist dieser argumentative „Slalomlauf“ nur eines von sehr vielen möglichen Beispielen, mit denen sich die völlige fachliche Inkompetenz dieses – so die offizielle Bezeichnung seines Postens im ISP – „wissenschaftlichen Direktors“ (der nicht über einen einzigen Untergebenen verfügt) belegen lässt. Zwischen dem 25. Juni und dem 1. Juli 2020 fand ein Referendum über Änderungen der Verfassung Russlands statt, das insofern das erwartete Ergebnis brachte, als Putin nun bis 2036 im Amt bleiben kann; er wäre dann 84 Jahre alt.
In Belarus kennt sich Dubowy nicht besser aus. Im August 2020 phantasierte er in einem Kommentar, dass der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko die „Chance“ gehabt habe, „in die Geschichte seines Landes als Gründervater des modernen belarussischen Staates einzugehen“. Gründervater? Das war eindeutig Stanislaw Schuschkewitsch, 1991-1994 Parlamentspräsident und damit damals auch Staatsoberhaupt, den Dubowy mehrmals persönlich getroffen hat und dessen Rolle er daher kennen müsste. Und Lukaschenko hasst das Land, dessen Präsident er sein „muss“. So hat er immer wieder behauptet, der einzige Abgeordnete des belarussischen Parlaments gewesen zu sein, der am 10. Dezember 1991 gegen die Ratifizierung der Verträge von Belovezhsk gestimmt hatte, mit denen die Sowjetunion für aufgelöst erklärt worden war und Belarus die Unabhängigkeit erreicht hatte. Lukaschenko hat nie verheimlicht, eine (und sei es partielle) „Wiederherstellung“ der UdSSR zu wollen – und zwar, wenn irgendwie möglich, natürlich unter seiner eigenen Führung.
Jakunins „Dialog der Zivilisationen“ hält seit Jahren finanziell sehr aufwändige Konferenzen auf der griechischen Mittelmeerinsel Rhodos ab, wo – welche Überraschung – auch Dubowy als „speaker“ aufgetreten ist. Dubowy findet man auch auf der Homepage des „Forschungsinstitutes des Dialoges der Zivilisationen“, an dessen Veranstaltungen er denn auch teilgenommen hat. Es hat sein Hauptquartier in Berlin und Büros in Wien (als dessen Leiter zeitweise ÖVP-Mann Walter Schwimmer, 1999-2004 Generalsekretär des Europarats, fungierte) sowie – natürlich – in Moskau. Zu den „Experten“ des „Dialoges der Zivilisationen“ gehört übrigens auch Österreichs Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ).
Dubowy wurde über Jahre hinweg vom österreichischen Verteidigungsministerium als „Experte“ und Autor für Publikationen herangezogen. Das Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien führt ihn inzwischen als „ehemaligen Mitarbeiter“. An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät dieser Universität unterrichtete er ab 2011 und zum bisher letzten Mal im Sommersemester 2020, als er eine „Einführung in das politische Denken und politische System Russlands“ gab, wo er per Internet u.a. Markedonow zuschaltete. – Gibt es hier eigentlich eine Qualitätskontrolle, welche Agitation z.B. im Sinne der „Russlandpolitik“ der FPÖ ausschließt? Wenn nein, warum nicht? Und wenn ja, wie ist sie konkret beschaffen? Diese Fragen stellen sich auch und gerade angesichts eines kleinen Auszugs aus der Liste der Facebook-Friends Dubowys. Da finden sich u.a. Tschank, Krumpel, Kofner, Jakunin, Reinhard Eugen Bösch (FPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat und Mitglied der deutschnationalen Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia), Putins früherer (extrem nationalistischer und frömmelnder) Kulturminister Wladimir Medinskij; Russlands Kommunistenchef Gennadij Sjuganow (der am Geburtstag Stalins regelmäßig Blumen auf dessen Grab am Kreml in Moskau niederlegt); Sjuganows Stellvertreter Iwan Melnikow; der pro-Putin-Politiker und -Aktivist Sergej Markow; der „rot-braune“ Autor und Journalist Alexander Prochanow; Wjatscheslaw Nikonow (Enkel des Stalin-Vertrauten Wjatscheslaw Molotow, worauf er bei jeder Gelegenheit hinweist, und zu Verschwörungstheorien neigender pro-Putin-Aktivist); Igor Dodon, (im November 2020 abgewählter) entschieden prorussischer Präsident Moldovas; Sergei Karaganow (der mitunter die NATO mit Hitlerdeutschland vergleicht und „dem Westen“ – oder was er dafür hält – abwechselnd droht und ihm den Untergang vorhersagt); Dmitrij Ljubinskij, Botschafter Russlands in Österreich mit guten Kontakten in österreichische Wirtschaftskreise und zur FPÖ; der prosowjetische Offizier und Politiker Viktor Alksnis; der langjährige Außenminister Lukaschenkos, Vladimir Makei; und nicht zuletzt Leonid Sluzkij, Duma-Abgeordneter von Wladimir Schirinowskijs ultranationalistischer „Liberal-demokratischer Partei Russlands“ (Sluzkij sah sich 2018 massiver Vorwürfe ausgesetzt, Journalistinnen sexuell belästigt zu haben). Russische Oppositionelle, Putin-Skeptiker und -kritiker oder Menschenrechts- und Umweltaktivisten glänzen in Dubowys Friends-Liste durch weitgehende Abwesenheit.
Ende Mai 2020 moderierte Dubowy im „Russischen Zentrum für Wissenschaft und Kultur“ in Wien im Rahmen einer als „Wiener Gespräche“ bezeichneten Veranstaltungsreihe einen Vortrag Alexander Rahrs. Dieses Zentrum wird von der in Moskau beheimateten föderalen Agentur „Rossotrudnitschestwo“ (in etwa: „Russische Zusammenarbeit“), einer weiteren (neben dem „Dialog der Zivilisationen“; dem „Russian International Affairs Council“ bzw. RIAC; „Valdai“ usw.) Einrichtung zur Projektion der soft power des Kremls, betrieben; die Homepage der Agentur berichtete über dieses ansonsten eher unbemerkt gebliebene Ereignis.
Die Rolle der Landesverteidigungsakademie im ISP-Netzwerk
Dubowy und Tschank erzählen nicht nur, aber auch und gerade am Rande von ISP-Veranstaltungen allen, die es hören wollen (oder auch nicht), von ihrer engen Kooperation mit dem Verteidigungsministerium. Das ist offenbar eine Legitimationsstrategie, der das Ministerium, soweit bekannt, bisher nicht entgegengetreten ist. Die „Logik“ dahinter ist aus der subjektiven Sicht des ISP einfach: „Wenn sogar das Bundesministerium für Landesverteidigung auf diese Expertise angewiesen ist, dann muss es seriös sein.“ Und hier kommt auch und gerade die Landesverteidigungsakademie, die höchste Ausbildungsanstalt des Bundesheeres in der Wiener Stiftgasse mit ca. 200 Angehörigen, ins Spiel. Sie war vom „Profil“ schon 2009 als „Skandalfall“ bezeichnet worden und ist wissenschaftlich längst weitgehend irrelevant, doch träumt ihr Kommandant Erich Csitkovits (wie schon sein glückloser und von Affären verfolgter ÖVP-Vorgänger Raimund Schittenhelm, der es noch kurz vor seiner Pensionierung 2011 mit einem Skandal um einen an der Akademie gedrehten Pornofilm zu tun bekam), von ihrer Erhebung zu einer „Militäruniversität“, um als deren Gründungsrektor in die Geschichte des Bundesheeres einzugehen. Csitkovits wäre der erste Chef einer österreichischen Universität ohne echte Hochschulausbildung: Er hat 1994 den dreijährigen Generalstabslehrgang des Bundesheeres absolviert, der Jahre später als „Studium irregulare“ an der Universität Wien anerkannt und mit der Verleihung eines Magistertitels belohnt wurde. Die auch hier zum Ausdruck kommende Titelversessenheit war zwar von Zeit zu Zeit in den österreichischen Medien – und in der Folge sogar in einer Anfrage der Grünen im Nationalrat – kritisch reflektiert worden, doch das hat keinen der Verantwortlichen im Verteidigungsministerium beeindruckt. Übrigens ist der offiziellen Biographie von Csitkovits keine einzige Teilnahme an einem Auslandseinsatz des Bundesheeres zu entnehmen, was den Schluss nahelegt, dass er seinen Aufstieg bis zum Rang eines Generalleutnants bevorzugt hinter Schreibtischen in verschiedenen Büros absolviert hat. Subjektiv kann man seine Motive, im sicheren Österreich zu bleiben, leicht nachvollziehen: bei den UN-Friedenstruppen in Zypern oder auf den Golanhöhen (zwischen Israel und Syrien), wo einem buchstäblich die Kugeln um die Ohren pfeifen können, hätte er sich in einem instabilen Umfeld befunden und wäre zudem von karrierefördernden Intrigen in Wien weitgehend abgeschnitten gewesen. Und als Csitkovits die Führung der LVAk übernahm, gehörte es zu seinen ersten Maßnahmen, einen Englischlehrer aus dem Sprachinstitut der Akademie für sich zu engagieren. Da erhob sich denn doch die Frage, wie er auf den zahlreichen internationalen Foren, die er kraft seines Amtes wahrnehmen muss, eigentlich kommuniziert(e): Etwa auf Deutsch mit Übersetzer?! Will sich das österreichische Verteidigungsministerium im Ausland vollends zur Lachnummer machen?
Im Jänner 2014 hielt Jakunin, damals (2005-2015) Chef der Russischen Eisenbahnen, einen Vortrag in der Landesverteidigungsakademie, wonach er Fragen aus dem Publikum beantwortete (oder jedenfalls den Eindruck zu erwecken trachtete, als täte er das). Als er indirekt auf seine Vergangenheit im sowjetischen Komitee für Staatssicherheit (KGB) angesprochen wurde, entgegnete er, „sich nichts vorzuwerfen“ zu haben; bei anderen Gelegenheiten gab er offen zu, über zwei Jahrzehnte in sowjetischen Geheimdiensten verbracht zu haben. Und: „Ich kann sagen, dass dieser Bereich den Charakter, den Willen, die Gewohnheiten und auch das Gehirn gut bildet. Was mir im Leben sehr zugutekam.“ In postsowjetischer Zeit wandelte sich der Sowjetpatriot Jakunin zu einem frömmelnden und ultrakonservativen russischen Nationalisten; den deutlichen Hang zu Verschwörungstheorien hatte er bruchlos aus sowjetischer Zeit „mitgenommen“. Solchen Leuten bietet Csitkovits ein Forum – und kaum jemand innerhalb oder außerhalb des Verteidigungsministeriums nimmt daran Anstoß. Doch damit nicht genug: aus Anlass der Diskussion „Österreichs Weg zur staatlichen Neutralität. 60 Jahre seit dem Abzug der sowjetischen Truppen“ am 23. Oktober 2015 waren Jakunin und Csitkovits gemeinsam auf dem Podium. Veranstaltungsort war das Badener Congress Casino.
Die Landesverteidigungsakademie gab zusammen mit dem „Dialog der Zivilisationen“ auch Publikationen heraus. Klärungsbedürftig ist der Umstand, dass daran auch das sogenannte „Partnership for Peace“-Consortium (PfP-C), eine Initiative der NATO, beteiligt war. Die Landesverteidigungsakademie arbeitete bei (zumindest) fünf Veranstaltungen mit dem „Dialog der Zivilisationen“ zusammen: im November 2017 in Reichenau an der Rax (Österreich), im April 2018 in Minsk (Belarus), im November 2018 in Reichenau, im April 2019 in Berlin (Deutschland) und im November 2019 wieder in Reichenau. Zumindest an den Veranstaltungen im November 2018 („South Caucasus: Leveraging Political Change in a Context of Strategic Volatility“) und im Februar 2019 („Perceptions on the EU Western Balkans Strategy“) war auch der RIAC beteiligt. Es war nur noch tragikomisch, als ausgerechnet der RIAC dem „Dialog der Zivilisationen“ bescheinigte, ein „independent think tank“ zu sein.
Im Sommer 2020 begann sich der Hamburger „Spiegel“ für diese Angelegenheiten zu interessieren und kontaktierte u.a. die Pressestelle des österreichischen Verteidigungsministeriums. Dort ließ man ausrichten, dass man gewusst habe, dass Jakunin wegen seiner Rolle bei der russischen Annexion der Krim auf den Sanktionslisten der USA und Australiens steht und Mitgründer des „Dialoges der Zivilisationen“ war; es sei aber unbekannt gewesen, dass der „Dialog“ in der „Kritik steht, Teil einer hybriden Kriegsführungsstrategie Russlands gegen den Westen zu sein.“ Weiters bestritt die Pressestelle allen Ernstes eine „Kooperation“ des Verteidigungsministeriums mit dem „Dialog“ – das sei nämlich nur eine „Mitwirkung“ (!) an gemeinsamen Veranstaltungen im Rahmen des PfP-C gewesen. An dieser Linie hielt auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) fest: es habe, so teilte sie in der Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage der Neos mit, „keine direkte Zusammenarbeit“ zwischen ihrem Ressort und dem „Dialog“ gegeben. Dessen Leute hätten aber einen „guten Ruf“, warum sie von Vertreter des PfP-C eingeladen worden seien. – Offenbar haben Jakunins Leute im österreichischen Verteidigungsministerium diese Reputation; in der seriösen und unabhängigen Fachwelt geht ihnen eine solche ganz entschieden ab. Und der „Dialog“ seinerseits bestritt sogar, mit dem Kreml zu tun zu haben (!): Er verfüge über „keine Zugehörigkeit zu einem Land oder einer Regierung, russisch, französisch, österreichisch oder sonstige.“
Mit anderen Worten: Sowohl das Verteidigungsministerium wie auch der „Dialog“ machten sich über die Nachforschungen der Journalisten und Abgeordneten einfach nur lustig. Jedenfalls wurde die Geschichte des „Spiegel“ in Österreich von mehreren Medien, darunter insbesondere der Österreichische Rundfunk (ORF) und die Tageszeitungen „Die Presse“, „Der Standard“, „Kronen Zeitung“, „Salzburger Nachrichten“ und „Vorarlberger Nachrichten“, aufgegriffen. Die Position des Verteidigungsministeriums rechtfertigte dabei niemand. Dieses, konkret aber die Landesverteidigungsakademie hätte sich ganz leicht aus dem Internet über Jakunins „Geschäfte“ informieren können. So hatte Alexej Nawalny, der bekannteste russische Oppositionelle, Jakunin schon 2013 vorgeworfen, sein milliardenschweres Geschäftsimperium auch und gerade dank massiver Korruption aufgebaut zu haben. Jakunin habe eine „mafia family of the purest kind, and it exists due to its mafia boss, Vladimir Putin, who gives license to steal everything around.” Und was tut die Landesverteidigungsakademie noch Jahre später? Sie hält Veranstaltungen mit Jakunin ab, der – nebenbei gesagt – bis heute vom hausinternen Infoscreen lacht.
Die offensichtliche Zusammenarbeit der Landesverteidigungsakademie mit Jakunin hat der ohnedies fragilen Reputation des österreichischen Verteidigungsministeriums auch und gerade in den Augen aktiver und potenzieller Partner in vielen Ländern jenseits der Westgrenzen Russlands (weiteren) Schaden zugefügt und einmal mehr die Frage aktualisiert, inwieweit führende Amtspersonen – und insbesondere Csitkovits – ihren Positionen intellektuell gewachsen sind. Und Dubowy legte gegenüber der „Presse“ Wert auf die Feststellung, mit Jakunin „nicht persönlich bekannt“ zu sein – und das, obwohl der „Presse“ ein Photo vorliegt, das die beiden zusammen zeigt. Die Kontakte der Dubowys und Jakunins reichen zweifellos mehrere Jahre zurück. So trat Jakunin bei einer von Dubowy an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien veranstalteten Ringvorlesung im Wintersemester 2012/2013 auf. Und die österreichische Volksanwaltschaft bezeichnet Dubowy explizit als „Mitarbeiter“ des Ministeriums und der Landesverteidigungsakademie. War/ist er also nun Angehöriger dieser staatlichen Institutionen oder nicht? Wie ist es möglich, dass sich das nicht genau feststellen lässt? Gibt sich Dubowy vielleicht, je nach „Anlassfall“, als Mitarbeiter des Ministeriums, der Akademie, der Universität Wien, des ISP usw. usf. aus – und wenn ja, wozu? Das sind weitere der zahllosen Unklarheiten, die den beruflichen Weg dieses Mannes geradezu pflastern. Immerhin völlig eindeutig ist der Umstand, dass sich seine Naheverhältnis zum Verteidigungsministerium in klingende Münze umsetzt: einer Antwort Tanners vom 21. Oktober 2020 auf eine parlamentarische Anfrage zufolge erhielt Dubowy für eine „Studie“ zum Thema „Russlands Verteidigungspläne und Auswirkungen auf Österreich“ 27.000 Euro, was zu den „Dienstleistungen im Bereich persönliche und strategische Beratung“ des Ministeriums im ersten Halbjahr 2020 zählt.
Im Spätsommer 2020 versuchten die Grünen im Nationalrat, mittels parlamentarischer Anfrage „betreffend Causa Jan Marsalek und die mutmaßlichen Verbindungen in das Bundesministerium für Landesverteidigung“ u.a., die Rolle Gustenaus zu beleuchten, von dem es darin hieß, dass er „in seiner Funktion in der Direktion für Sicherheitspolitik an der Kooperation mit dem FPÖ-nahen Institut für Sicherheitspolitik (ISP) gearbeitet“ habe. Genau das stellte Tanner in ihrer Beantwortung mit keinem Wort in Abrede. Sie räumte zudem ein, dass auch „Vertreter der Landesverteidigungsakademie“ an der „Kooperation“ mit dem ISP beteiligt waren. Am 27. Jänner 2021 brachten Abgeordnete der Neos an Tanner eine weitere Parlamentarische Anfrage zu Gustenau und dessen Kontakte zu Marsalek ein, deren Antwort aber bis Redaktionsschluss noch nicht vorlag.
Dubowy war und ist das „Scharnier“ zwischen ISP und Landesverteidigungsakademie. Er besuchte nachweislich internationale Konferenzen als „Senior Researcher“ ausgerechnet der Landesverteidigungsakademie – wie das, wenn er (nach eigener Darstellung) nie Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums war? Und der Umstand, dass eine solche Postenbezeichnung an dieser Akademie schlicht nicht existiert, störte offenbar niemanden von Dubowys „Förderern“. Natürlich wäre (auch) alles das ohne Kenntnis und Zustimmung von Csitkovits völlig undenkbar.
Der Generalstabslehrgang, auf dem die künftige militärische Elite des Landes ausgebildet wird, findet traditionell an der Landesverteidigungsakademie statt. Im Sommer 2018 hatten einige seiner Teilnehmer die Möglichkeit, an einer „von Alexander Dubowy organisierten Sommerhochschule“ in Moskau teilzunehmen. Dabei sollen die „politische Kultur“ Russlands und die „russische Seele“ im Mittelpunkt des Programms gestanden haben. – Das war vom Verteidigungsministerium auf seiner Homepage gemeldet worden, doch irgendwann zwischen Ende September und Anfang Dezember 2020 verschwand diese Information. Ist das etwa ein (weiteres) Resultat der erheblichen Bemühungen Dubowys, seine „Spuren zu verwischen“?
Zahlreiche der in der erwähnten „Leistungsübersicht des Instituts für Sicherheitspolitik 2017-2019“ aufgeführten Veranstaltungen erhalten den Hinweis, dass sie in Kooperation mit der Landesverteidigungsakademie abgewickelt wurden. Das traf z.B. auf einen Gastvortrag Lukjanows zu, den er in seinen Eigenschaften als Chef des RIAC und „Forschungsdirektor“ des nominell „internationalen“, de facto aber von Putins Präsidialadministration kontrollierten Diskussionsklubs „Valdai“ am 25. März 2019 an der Landesverteidigungsakademie einen Vortrag zum Thema „Weltordnung ohne den Westen? Russland zwischen den USA, China und der EU“ hielt. Lukjanow lässt sich bei seinen Auftritten im Westen gerne unter die „Top- 3-Experten zu Russlands internationalen Beziehungen sowie russischer Außen- und Sicherheitspolitik“ zählen, obwohl er das ganz offenkundig nicht ist. Jedenfalls begrüßte Csitkovits über 130 Gäste in der Sala Terrena, dem größten Veranstaltungssaal des Akademiegebäudes. Lukjanow ist einer jener Vertreter der vom Kreml abhängigen „scientific community“, die – gerne auch mit vorlautem, herablassendem und/oder drohendem Unterton – „dem Westen“ (bzw. was man in Moskau und im ISP dafür hält) mündlich und schriftlich die Politik Putins „erklärt“ und „verdeutlicht“. Wenn man einen seiner Artikel gelesen oder einen Vortrag gehört hat, kennt man alle. Der Mehrwert aus der Kenntnisnahme immer neuer seiner schriftlichen und mündlichen Äußerungen ist praktisch Null, zumal von ihm kein kritisches Reflektieren der Politik seines eigenen Landes zu erwarten ist: das gehört ganz entschieden nicht zu den Aufgaben, die sich RIAC und „Valdai“ gestellt haben bzw. ihnen gestellt wurden. Und das ISP und die Landesverteidigungsakademie „segeln“ seit Jahren in diesem Fahrwasser.
Dazu hat auch Walter Feichtinger, durch zahllose Medienauftritte u.a. im ORF (wo er sich – und zwar über seine Pensionierung im Frühjahr 2020 hinaus – gerne als „Militärstratege“ oder „Strategieforscher“ ansprechen ließ bzw. lässt, obwohl er nie in den einschlägigen Strukturen des Verteidigungsministeriums gearbeitet hat) landesweit bekannter Abteilungsleiter an der Landesverteidigungsakademie, seinen Beitrag geleistet. Feichtinger hat u.a. zusammen mit Dubowy publiziert – und zwar ausgerechnet über die Ukraine, die Feichtinger vor dem Beginn der russischen Militärintervention 2014 kaum auf der Landkarte Europas gefunden haben dürfte. Da kann man Peinlichkeiten lesen wie:
„Es bleibt zu befürchten, dass die pauschale Diskreditierung der 74 Jahre währenden Zugehörigkeit der Ukraine zur Sowjetunion als Besatzungszeit die bestehenden gesellschaftlichen Klüfte und Spannungen verstärken und sich verhängnisvoll auf die Zukunft der Ukraine auswirken wird.“
Daran ist wirklich alles falsch, beginnend damit, dass die Ukraine nicht „74 Jahre“ lang zur Sowjetunion gehören konnte, weil diese erst 1922 gegründet und 1991 aufgelöst wurde.
Feichtinger hat etwa ein Dutzend Bücher „herausgegeben“ (was in der Praxis bedeutete, dass der bei weitem überwiegende Teil der Arbeit von seinen Untergebenen erledigt werden musste) – und zwar in meist bekannt teuren Verlagen, wo man für die Erstauflage eines Buches ganz leicht 10.000 Euro oder mehr bezahlt. Hat er das aus seiner Privatschatulle entrichtet? Wohl kaum. Die Finanzierung dieser Werke, die miteinander nicht weniger als 100.000 Euro gekostet haben dürften, ist bis heute unklar (dem Verteidigungsministerium ist es mit guten Gründen verboten, für Publikationen seiner Mitarbeiter aufzukommen). Es ist nicht bekannt, dass sich Feichtingers Vorgesetzter Csitkovits, mit dem er immer auf betont gutem Fuß stand, dafür – trotz der Letztverantwortung jedes Amtsleiters für die Einhaltung sämtlicher normativer Vorschriften (darunter auch im Bereich der Finanzen) – interessiert hätte, übrigens ebenso wenig wie die Interne Revision des Verteidigungsministeriums, das Heeresabwehramt oder der Rechnungshof. Wie kann das sein, wo doch Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit die beiden traditionellen haushaltsrechtlichen Grundsätze des Öffentlichen Dienstes sind? Und wie war es möglich, dass sich Feichtinger ungeachtet der anhaltend prekären Finanzlage des Verteidigungsministeriums über viele Jahre hinweg im Rahmen von Dienstreisen – also auf Kosten der Steuerzahler – buchstäblich die halbe Welt ansah und dabei auch (von Mitteleuropa aus betrachtet) exotische Ziele wie Südchile, den Sudan, den Südsudan, Afghanistan und Südkorea nicht ausließ?
Feichtinger war nicht einmal in der Lage gewesen, seine politikwissenschaftliche Dissertation an der Universität Wien alleine fertigzustellen; dazu benötigte er die Unterstützung eines Angehörigen seiner Abteilung an der Landesverteidigungsakademie (bei dem er sich etwas später damit „bedankte“, dass er ihn mobbte, bedrängte und schließlich zu kündigen versuchte). Und Feichtinger hat seinen Namen nachweislich und in Verletzung des Urheberrechts auch auf Publikationen gesetzt, mit denen er inhaltlich überhaupt nichts zu tun hatte – und zwar, um seine „Publikationsliste“ so rasch und einfach wie möglich zu verlängern. So verfolgte er das Ziel, in der – wie er glaubte – zu schaffenden Militäruniversität sofort zum Professor ernannt zu werden. Allerdings musste sich Feichtinger, der seinerzeit nicht einmal zum Generalstabslehrgang zugelassen (und 1998 ausgerechnet von Gustenau in den Zentralapparat des Verteidigungsministeriums geholt) worden war, in den – zweifellos hochverdienten – Ruhestand begeben, ohne dass es dazu gekommen wäre. So wird jener Steinmetz, der irgendwann seinen Grabstein herstellt, keinen Professorentitel einzugravieren haben. Doch bis es soweit ist, muss der nach Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit süchtige Feichtinger irgendwie die Zeit totschlagen. Dazu dient ihm nun sein schon 2008 in Wien gegründetes „Center für Strategische Analysen“. Als einer der Angehörigen von dessen „Team“ ist Etienne Berchtold angeführt. Er ist im Hauptberuf einer der drei Sprecher von Bundeskanzler Kurz und einer von dessen „maßgeblichen außenpolitischen Beratern“. Über die Finanzierung des „Centers“ besteht – wie so oft im Umfeld Feichtingers und überhaupt der Landesverteidigungsakademie – Unklarheit (ohne dass jemand kritische Fragen stellen würde). Es ist freilich nicht anzunehmen, dass etwa Ex-Außenministerin Karin Kneissl – die sich im Frühjahr 2020 wiederholt über ihre drohende Mittellosigkeit und darüber, kein Geld aus dem Coronavirus-Härtefonds zu bekommen, beklagte – völlig kostenlos für Feichtinger Papiere verfasst. Und die Ende 2017 von der FPÖ für das Außenamt nominierte Kneissl, auf deren Hochzeit im August 2018 Putin höchstpersönlich tanzte, ist auch kaum gratis für den Propagandasender RT (früher Russia Today) tätig, für den sie u.a. einen Text verfasste, in dem sie sich vehement für das von Putin initiierte Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream II aussprach – obwohl (oder weil?) es die Abhängigkeit der EU von den Launen des Kremls ebenso wie Putins Einnahmen erhöhen würde, die er benötigt, um seine erwähnten Kriege zu finanzieren.
Dubowy ist mit Johann Frank bekannt, der bis Anfang 2020 Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik des Verteidigungsministeriums war; Dubowy hat in vielen von Frank verantworteten Publikationen meist nichtssagende bis direkt überflüssige Artikel veröffentlicht. Seit April 2020 ist Frank als Nachfolger Feichtingers Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) an der Landesverteidigungsakademie. Diese rätselhafte Personalrochade ließ viele Beobachter staunen: Warum tauchte Frank, der es in der Direktion für Sicherheitspolitik bereits zum Generalmajor gebracht hatte, plötzlich auf dem Posten eines Abteilungsleiters auf, der üblicherweise (höchstens) von einem (rangniedrigeren) Brigadier – wie es Feichtinger war – wahrgenommen wird? Franks Versetzung an die Landesverteidigungsakademie wurde allgemein als „Degradierung“ interpretiert, über deren Ursachen man im Verteidigungsministerium Stillschweigen zu bewahren versuchte (was freilich nichts daran änderte, dass doch – mehr oder weniger plausible – Gerüchte nach außen gedrungen sind). Klar ist aber: Csitkovits muss die Zustimmung zu diesem Wechsel Franks an seine Akademie gegeben haben.
Der gleiche Csitkovits hat sich bzw. die von ihm kommandierte Akademie über das ISP in Aktivitäten von „Valdai“ involvieren lassen, einer Propagandabühne des Kremls, die – so Shekhovtsov – auch und gerade als Treffpunkt zwischen Putin und rechtsradikalen Politikern fungiert. Mit „Valdai“ ist übrigens nicht nur Lukjanow, sondern auch Rahr verbunden; und Kofner hat von dort für „Compact“ berichtet. Damit schließen sich wieder einige „Kreise“.
Am 21. März 2019 hätte die „VI. Europäische Konferenz des Valdai-Klubs“ zum Thema „Alle zusammen oder jeder für sich? Sichtweisen Russlands und der EU auf die künftige multilaterale Diplomatie“ in Kooperation mit dem ISP ausgerechnet in den Räumen der Landesverteidigungsakademie stattfinden sollen. Dafür waren über 100 „führende Experten“ aus zehn europäischen Ländern eingeladen, deren Liste eine genauere Betrachtung verdient. Als erster Eröffnungsredner war Tschank vorgesehen, als zweiter Csitkovits, und als dritter Andrej Bystrizkij von „Valdai“. Das Eröffnungspanel („Hat die multilaterale Diplomatie Zukunft? Sichtweisen Russlands und der EU“) hätte Lukjanow moderieren sollen; zu den Diskutanten zählten u.a. der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko sowie der erwähnte Kossatschjow in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Föderationsrates, d.h. des Oberhauses des Parlaments Russlands. Das Panel „Probleme der Sicherheit Europas nach der Rüstungskontrolle. Eine Bedrohung für den Frieden und wie man ihr begegnet“ hätten u.a. Stadler und Michail Uljanow, ständiger Vertreter Russlands bei den internationalen Organisationen in Wien, bestreiten sollen. Und eines der beiden geplanten Schlussworte wäre von Erwin Schmidl, Leiter des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie, zu sprechen gewesen (Schmidl hat einen Artikel zu einem höchst umstrittenen „Historikerbericht“ der FPÖ beigesteuert, der unter der Leitung von aktiven oder früheren Parteifunktionären verfasst und herausgegeben wurde; dieses Werk wurde freilich von der großen Mehrheit der unabhängigen österreichischen Historiker verrissen).
Allerdings platzte dieser Luftballon, bevor er überhaupt aufgestiegen war – denn am Abend des 17. Mai 2019 wurde „Ibizagate“ ruchbar, und schon am nächsten Tag kollabierte die ÖVP-FPÖ-Koalition. Zahlreiche nicht nur österreichische Medien lenkten unverzüglich – nicht zum ersten Mal – die Aufmerksamkeit auf die „Russlandpolitik“ der FPÖ, die ja im Dezember 2016 einen „Kooperationsvertrag“ mit Putins Partei „Einheitliches Russland“ (der z.B. Kossatschjow und Markow angehören) abgeschlossen hatte. Csitkovits zog die Reißleine und verwehrte „Valdai“ nun die Räume der Landesverteidigungsakademie; die Homepage des ISP ging für eine gewisse Zeit offline. Die „Valdai“-Veranstaltung wurde in das Grand Hotel Wien verlegt, wenngleich die meisten österreichischen Teilnehmer auf der letzten Fassung des Programms fehlten. Ljubinskij, zeigte sich – wenig überraschend – darüber auf Facebook höchst unzufrieden, doch sei es immerhin nicht gelungen, die Veranstaltung zu sprengen. Und: „Die innenpolitische Krise in Wien ist in vollem Gange. Mit Russland hat das aber alles nicht[s] zu tun.“
Der staatliche russische Fernsehsender „Rossiya 24“ berichtete über die plötzliche Absage Csitkovits‘ an die „Valdai“-Konferenz – nicht ohne empörten Unterton über das Verhalten der „österreichischen Partner“. Das Verhalten der Landesverteidigungsakademie stieß auch bei englischsprachigen Webseiten auf Interesse bzw. Unverständnis. Daraus ergab sich zwangsläufig eine gewaltige Blamage nicht nur, aber auch und gerade für Csitkovits persönlich: hätte er „Valdai“, vom ISP vermittelt, erst gar nicht an seine Akademie eingeladen, wäre es nicht zu diesem Eklat gekommen. Gelernt hat er freilich nichts daraus: Die Kooperation der Landesverteidigungsakademie mit dem ISP ging – wie der „Leistungsübersicht des Instituts für Sicherheitspolitik“ 2017-2019“ zu entnehmen ist – auch nach „Ibizagate“ mit Hochtouren weiter. Erwähnenswert sind hier auch Veranstaltungen, die in Kooperation zwischen der LVAk, dem ISP und einem „Europäischen Institut für Terrorismus und Konfliktprävention“ (EICTP) abgehalten wurden, so z.B. ein Vortrag von Bruce Hoffmann am 25. September 2019: Ort war die Landesverteidigungsakademie, der Moderator Dubowy. Das EICTP war von Gustenau und dem ehemaligen (2000-2003) Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ, dann Bündnis Zukunft Österreich/BZÖ) gegründet worden. – Bei allen diesen Dingen handelt sich freilich „nur“ um weitere Etappen in der Geschichte der Landesverteidigungsakademie, die sich als chronique scandaleuse lesen lässt. Alle diese Etappen haben gemeinsam, dass in Bezug auf die Entscheidungsträger niemals irgendwelche disziplinäre oder sonstige Konsequenzen gezogen wurden.
2014 veranlasste der allgemein als völlig „beratungsresistent“ geltende Csitkovits (der zuvor lange seine „schützende Hand“ über eine völlig „außer Rand und Band“ geratene Abteilungsleiterin an der Landesverteidigungsakademie gehalten hatte, die u.a. Räucherstäbchen in ihrem Büro anzündete, um – nach eigenen Angaben – „böse Geister zu vertreiben“) die Kündigung eines Mitarbeiters seiner Akademie – und zwar ausgerechnet desjenigen, der den postsowjetischen Raum politikwissenschaftlich bearbeitet hatte. Drei gerichtliche Instanzen erklärten diese Kündigung für rechtswidrig und hoben sie wegen des völligen Fehlens von Gründen auf. Der Oberste Gerichtshof Österreichs arbeitete in seinem definitiven Urteil persönlich von Csitkovits zu verantwortende Gesetzesverletzungen heraus. Dieser ließ den betroffenen Mitarbeiter, der sich also überhaupt nichts hatte zuschulden kommen lassen, aber einfach nicht an die Landesverteidigungsakademie zurückkehren. Was in den Armeen vieler demokratischer Länder zur unehrenhaften Entlassung führen würde, interessierte in Österreich niemanden: Csitkovits ist bis heute „unangefochten“ im Amt. Und daher kann er den betreffenden Mitarbeiter seit über sechseinhalb Jahren zu Hause sitzen lassen, wo dieser für sein Gehalt (das ihm das Ministerium auszahlen muss) nichts tun darf. Das bedeutet, dass Csitkovits einfach Gerichtsentscheidungen nicht umsetzt – und damit „durchkommt“. In einer ungewöhnlich kritischen Reportage des ORF-Radios, welche die Verbindungen zwischen dem Verteidigungsministerium (und konkret der Landesverteidigungsakademie sowie Gustenau), dem „Dialog der Zivilisationen“ und „Valdai“ untersuchte, hieß es im Februar 2021 wörtlich: „Die Landesverteidigungsakademie hat zwar einige international renommierte Experten für den Nahen Osten und den Balkan, für Russland gibt es aber seit Jahren niemanden mehr […]. Keine guten Voraussetzungen, um abzuschätzen, mit wem man es [auf russischer Seite] zu tun hat.“
Tatsächlich lässt Csitkovits für Unsummen das ISP mit seiner mehr als eindeutigen politischen „Schlagseite“ den postsowjetischen Raum „analysieren“ – und das, obwohl das Verteidigungsministerium seit Jahren am Rande des Bankrotts balanciert! Er hätte in seiner Eigenschaft als einer der höchsten Offiziere des Bundesheeres, dessen Wort Gewicht hat, eine Finanzierung des ISP durch das Ministerium schon 2017 ablehnen können und müssen – u.a. mit dem Argument, dass die entsprechende Expertise an der Landesverteidigungsakademie längst, und zwar ohne jede zusätzliche Kosten, vorhanden ist. Csitkovits ging allerdings einen ganz anderen Weg, der auf die Förderung der Karriere Dubowys hinauslief.
Grundsätzlich ist völlig unverständlich, welchen „Narren“ Csitkovits am FPÖ-nahen ISP (und an Dubowy konkret) „gefressen“ hat, war er doch ab 2004 Stabschef des Kabinetts von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) gewesen, der ihn auch 2011 zum Kommandanten der Landesverteidigungsakademie ernannt hatte. Aus der spezifischen Sicht von Csitkovits sind Dubowy und Gustenau alles andere als diskreditiert, ließ er doch zu, dass beide beim aktuellen, d.h. 22. Generalstabslehrgang unterrichten. Dubowy nennt ein Büro an der LVAk sein eigen, dessen Türschild ihn als „Projektmitarbeiter“ ausweist und weiters behauptet, dass er von der Universität Wien kommt (Stand: September 2020), obwohl – wie oben erwähnt – er nicht mehr als deren Mitarbeiter geführt wird (wovon man sich leicht mit der Suchmaschine auf der Homepage der Universität überzeugen kann). Nicht minder unklar ist, warum Csitkovits an seiner Akademie einen gewissen Mitarbeiter (der seinerzeit in der Abteilung Feichtingers gearbeitet hatte) protegiert, der für seine ultrakonservativen Ansichten bekannt war und ist, das 2. Vatikanische Konzil ablehnt, mitunter vor Zeugen den Ständestaat 1934-1938 lobt sowie mit hochrotem Kopf gegen „Denkverbote beim Holocaust“ wettert (diese Terminologie ist sonst nur bei den sogenannten „Revisionisten“ anzutreffen). Dieser Mitarbeiter befürchtet nicht, dass ihm sein offen zur Schau gestellter Antisemitismus an der Landesverteidigungsakademie schaden könnte. Und das war denn auch tatsächlich nicht der Fall – weder unter Schittenhelm noch unter Csitkovits, was überaus bezeichnend ist.
Wirecard, Gustenau und einige Aspekte der Tätigkeit der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft
Am 22. Juni 2020 beantragte die Staatsanwaltschaft München einen Haftbefehl gegen Wirecard-Vorstandschef Markus Braun (der nicht mit dem völlig gleichnamigen ISP-Kassier zu verwechseln ist), einen österreichischen Staatsbürger. Er stellte sich daraufhin freiwillig und wurde am nächsten Tag gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro freigelassen. Er wird der Bilanzfälschung und Marktmanipulation verdächtigt.
Am 25. Juni 2020 stellte Wirecard einen Insolvenzantrag. Das Unternehmen räumte ein, dass ein Vermögen von 1,9 Milliarden Euro (!) auf Treuhandkonten in Asien aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht existiert. Alles das war auch deshalb „heikel“, weil Braun Mitglied eines wirtschaftspolitischen Think-Tanks von Bundeskanzler Kurz war, an dessen Spitze die Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler steht.
Ab Juni 2020 rückte Wirecard massiv in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses in Österreich und Deutschland. Jan Marsalek, Vorstandsmitglied der Firma und österreichischer Staatsbürger, dürfte ein Informant der FPÖ gewesen sein: nach Meldung der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ gab er über einen gewissen „Florian S.“ vertrauliche Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und dem Innenministerium an die Partei weiter. Die „Presse“ bezog sich auf Chats zwischen „S.“ und Gudenus, bei denen es u.a. um Geschäftsinteressen mit russischer „Tangente“ ging. Die FPÖ wies alle Vorwürfe an ihre Adresse entschieden zurück. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Bei „Florian S.“ handelt es sich jedenfalls um Florian Stermann, den ÖVP-nahen Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft sowie Gründer und Geschäftsführer einer „EMB Expert Management Beratung GmbH“ in Wien, der eine „Russia GmbH“ genannte Firma mit ÖVP-Mann Ernst Strasser betrieb, der wiederum zwischen 2000 und 2004 österreichischer Innenminister sowie 2003 bis 2011 Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft war. An diese spendete Wirecard seit 2011 jährlich zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Seit dem gleichen Jahr waren Marsalek (der über Jahre hinweg eine „Affinität zu Russland“ erkennen hatte lassen) und ISP-Kassier Markus Braun „Senatoren“ dieser Gesellschaft, die auch und gerade – wenngleich natürlich nicht nur diesen beiden – zum „Netzwerken“ zwischen Wien und Moskau dient. Botschafter Ljubinskij, Ehrenpräsident der Gesellschaft, ließ über einen Sprecher ausrichten, dass deren Aktivitäten und das Verhalten Marsaleks „nichts“ miteinander zu tun hätten.
Am 19. Juni 2020 flog Marsalek mit einem Privatjet von Österreich über die estnische Hauptstadt Tallinn in die weißrussische Hauptstadt Minsk. Diesen Umstand interpretierte der Hamburger „Spiegel“ dahingehend, dass immer wahrscheinlicher werde, dass Marsalek „mit russischen Geheimdiensten kooperiert oder gar für sie gearbeitet“ habe. Die „Financial Times“ schlug in die gleiche Kerbe: Marsalek „has led multiple lives, with complicated and overlapping commercial and political interests. […] sometimes they seemed to fit neatly with the work of Russia’s intelligence agencies.“ Am 19. Juli 2020 meldete das deutsche „Handelsblatt“, dass Marsalek vom russischen Militärgeheimdienst GRU von Weißrussland nach Russland gebracht worden sei. Der ebenfalls deutsche „Focus“ zog ein Zwischenfazit: „Die Achse Wien – Moskau ist intakt. Marsalek hat sie nachweislich oft genutzt.“ Die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft sei dabei im Mittelpunkt gestanden. Bis September 2020 gehörten dieser Gesellschaft mehr als 4.000 Mitglieder (wovon 500 stimmberechtigt waren) an, und zwar sowohl Personen wie Unternehmen (darunter die größten Österreichs). 2016 zahlten 16 Unternehmen, darunter Wirecard, Magna, Novomatic, Strabag und Signa, je mindestens 10.000 Euro im Jahr. Unternehmen sind denn auch die Hauptfinanziers der Gesellschaft. Hier gingen auch Dubowy und sein Mentor, der seit Jahrzehnten FPÖ-nahe Gustenau, ein und aus. Letzteren nannte der „Focus“ „Scharnier“ Marsaleks zum österreichischen Verteidigungsministerium.
Im April 2017 fand ein Abendessen von über 20 Personen in einem Münchner Nobelrestaurant statt, an dem u.a. der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, Österreichs Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sowie Marsalek und Gustenau teilnahmen. Gustenau war über Marsaleks Pläne, eine 15.000 Mann starke Söldnertruppe für Libyen aufzustellen (angeblich, um dessen Südgrenze abzuriegeln), informiert. Das österreichische Verteidigungsministerium gab zu, eine „Absichtserklärung“ zu diesem Projekt abgeschlossen zu haben. Allerdings fällt es Kennern der Sicherheitspolitik Österreichs schwer sich vorzustellen, welche – wie auch immer geartete – Rolle es in einem Abenteuer im Bürgerkriegsland Libyen hätte spielen können.
Jedenfalls muss sich Gustenau von Anfang an dessen bewusst gewesen sein, dass „die Russen“ voll und ganz „an Bord“ waren: er schrieb selbst dem vermutlichen GRU-Mann Andrej Tscheprygin (einem Kontaktmann Marsaleks) E-Mails. „Focus“ wunderte sich über Gustenau: „Ein hochrangiger Sicherheitsexperte eines EU–Staates [d.h. Österreichs] ist nicht nur in ein obskures außenpolitisches Projekt verwickelt, sondern steht bei der Planung in direktem Kontakt mit einem russischen Geheimdienstler.“ Es stellt sich hier natürlich die Frage, was das Abwehramt, d.h. die militärische Spionageabwehr, in dieser Angelegenheit eigentlich unternommen hat, zumal Gustenau auch viele andere „Russland-relevante“ Tätigkeiten setzte. So war er an Veranstaltungen des „Dialoges der Zivilisationen“ beteiligt und trat auch auf dessen YouTube-Kanal, genannt „DOC TV“, auf. Auch Werbung für Nord Stream II war ihm ein Anliegen, wie sich z.B. bei der von der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft veranstalteten Diskussion „Die Beziehungen zwischen der EU und Russland. Energie – Sicherheit – Wirtschaft“ am 24. Oktober 2017 in Wien zeigte: dort ließen Gustenau, OMV-Generaldirektor Rainer Seele und Rahr unter der Moderation Dubowys keinen Zweifel an ihren gemeinsamen – also: prorussischen – energiepolitischen Präferenzen. Doch schließlich, 2020, musste Gustenau die Direktion für Sicherheitspolitik verlassen. Er ging ausgerechnet an Csitkovits‘ Landesverteidigungsakademie, wo er bis Ende 2020 ein „Forschungsprojekt“ bearbeitete. Auf die Ergebnisse durfte man gespannt sein.
Bei der ordentlichen Generalversammlung der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft am 15. September 2020 kam es zu einem „Umsturz“: Vorsitzender Richard Schenz und sein Stellvertreter Christoph Matznetter (beide Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Österreich; Matznetter ist zudem Nationalratsabgeordneter der SPÖ) wurden nicht mehr bestätigt. Schenz erklärte dann, dass „man“ Stermann angesichts des Wirecard-Skandals nahegelegt habe, nicht mehr als Generalsekretär zu kandidieren. Allerdings kam alles ganz anders als geplant. Stermann und Gudenus aktivierten viele (oft der FPÖ angehörende oder ihr nahestehende) Mitglieder der Gesellschaft. So wurde ein guter Bekannter Stermanns, Maximilian Christoph Habsburg-Lothringen, neuer Vorsitzender. Dieser behauptete, keiner Partei anzugehören und überhaupt „unpolitisch“ zu sein. Er selbst sei seit 17 Jahren in Russland tätig; im Rahmen seines „Family-Office“ helfe er Russen in Österreich und Österreichern in Russland. Interessant ist sein offenes Bekenntnis, „kein Demokrat“ zu sein.
Das Präsidium der Freundschaftsgesellschaft wurde verkleinert und besteht nun nur noch aus Habsburg-Lothringen, Generalsekretär Markus Stender (ehemals Rechtsanwalt Strassers) und Finanzreferent Wolfgang Reithoffer. Mit Stand Mitte Februar 2021 nannte die Homepage der Gesellschaft überhaupt keine Mitglieder des Vorstandes, sondern hielt nur lapidar fest, dass er sich aus „zahlreichen hochrangigen Persönlichkeiten“ zusammensetzt. Hat die Gesellschaft also etwas zu verbergen?
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Hans Rauscher, einer der bekanntesten Journalisten Österreichs, nannte den „Dialog der Zivilisationen“ eine „schwindlige russische Desinformationsagentur“, mit der das Bundesheer gemeinsame Tagungen abgehalten habe; „FPÖler sind involviert – das muss schon aufgeklärt werden. Aber warum wundert das niemanden?“ Tatsächlich ist der „Dialog“ ein Instrument der russischen soft power zur Verbreitung und Popularisierung der politischen Positionen des Kremls im Westen. Das österreichische Verteidigungsministerium will davon keine Ahnung gehabt haben? Dann wurde es offenbar von den falschen Leuten in- und außerhalb seiner Mauern beraten. So war natürlich vom ISP und Dubowy nie zu erwarten, dass sie hier Alarm schlagen, sind sie doch ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Erheblich schwerer – oder überhaupt nicht – zu erklären ist, warum Struktureinheiten des Ministeriums selbst wie das Heeresabwehramt und das Heeresnachrichtenamt nicht zur Vorsicht gemahnt haben oder aber warum sie mit allenfalls doch intern ausgegebenen Warnungen vor dem ISP, dem „Dialog“ und/oder Jakunin nicht durchgedrungen sind. Eine definitive Klärung der genauen Rolle der Landesverteidigungsakademie steht noch aus; es kann aber grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, dass der „Dialog“ genau über diese (und das ISP) in das Verteidigungsministerium eingedrungen ist. Dafür trägt der Kommandant der Landesverteidigungsakademie, Csitkovits, die volle persönliche Verantwortung.
Das ISP erhebt den Anspruch, „eine evidenzbasierte Politikberatung mittels wissenschaftlicher Analysen“ zu bieten, und Dubowy bestritt jede prorussische Tendenz. Die Praxis spricht dem freilich Hohn. Diese Einrichtung betreibt, u.a. auf Kosten des Steuerzahlers, Lobbying und Propaganda – und zwar nicht für österreichische Interessen.
Man darf Tschank (und anderen) die Behauptung, dass das ISP „parteiunabhängig“ sei, nicht durchgehen lassen: es war und ist nicht de jure, aber de facto eine FPÖ-Veranstaltung, der allerdings das Verteidigungsministerium durch Zahlungen und „Kooperation“ eine (überaus fragwürdige) „Legitimität“ verleiht. Zwischen dem ISP, Dubowy und der FPÖ einerseits und dem Pressedienst Putins andererseits passt kein Blatt Papier. Und das wiederum setzt ein dickes Fragezeichen über die sozial- und konkret sicherheitspolitische Forschung im Verteidigungsministerium, die u.a. bedeutenden Einfluss auf die Ausarbeitung sicherheitspolitischer Grunddokumente Österreichs ausübt.
Parlamentarische Anfragen, die „schlechte Presse“ des ISP, zahllose entschieden fragwürdige bzw. aufklärungsbedürftige Vorgänge nicht nur finanzieller Natur um dieses sowie um seine Initiatoren und Mitarbeiter sowie nicht zuletzt seine politische Ausrichtung führten über Jahre hinweg nicht zu einem Bruch der Landesverteidigungsakademie bzw. des ganzen Verteidigungsministeriums mit dieser Instanz. Irgendjemand mit ausgezeichneten Verbindungen im Ministerium wollte die „Kooperation“ mit dem Pseudo-Institut offenbar um keinen Preis beenden (wobei „Preis“ durchaus im wörtlichen Sinne zu verstehen ist). Erst Ende Juni 2020 kündigte Verteidigungsministerin Tanner an, den mit Ende des Jahres 2020 auslaufenden Vertrag über die Finanzierung des ISP nicht zu verlängern. Sie wollte zudem eine Evaluierungskommission ins Leben rufen, die prüfen soll, warum sich das Ministerium die Finanzierung von NGOs (wie des ISP) leistet, aber gleichzeitig ständig über mangelnde Mittel für sich selbst klagte.
Es ist nicht rechtswidrig, dass das Verteidigungsministerium zusammen mit einem Glücksspielkonzern ein politisch eindeutig punziertes zwei-Mann-„Institut“ finanziert. Die Optik ist allerdings verheerend und eines Bundesministeriums nicht würdig – und zwar beileibe nicht nur vor dem Hintergrund der aufsehenerregenden „Casino-Affäre“ um die Ernennung von Sidlo zum Casinos Austria-Vorstandsdirektor für die Bereiche „Finanzen und Compliance“, als der er 2019 aber nur wenige Monate fungierte und deren Hintergründe bis heute Medien, Politik und Justiz Österreichs beschäftigen.